Ein »Ja« zum Sterben finden
Es gibt etwas, das ist und bleibt nicht machbar: das eigene Sterben. Es kann gemildert, begleitet oder auch selbst herbeigeführt werden. Doch es bleibt – wie die Geburt – ein großes Grenzerlebnis, in das jeder Einzelne unvertretbar und unabdingbar hineingezwungen wird. Eine Haltung dazu zu finden, erscheint sinnvoll, aber wird gleichwohl heutzutage vielerorts ausgeblendet. Mit dem Rückgang der Religion und der Allmacht und Allgegenwärtigkeit des Entertainments bleibt das Feld des Sterbens unbeackert – und der Mensch unreif ausgeliefert dem Letzten. Abhilfe schafft das Buch »Mit dem Tod tändeln« des Schweizer Systemtherapeuten und Theologen Thomas Wild. Es ist nichts weniger als eine Schatzkammer literarischer Annäherungen an den Umgang des Menschen mit seiner Endlichkeit – und füllt damit eine verbreitete Leerstelle heutigen Lebens. Dabei ist das Buch kein Sterberatgeber. Vielmehr ein vielfältig schillerndes Lebenslesebuch, das Bruchstücke von Erfahrungen im Umgang mit Verlust, Trauer, Todesangst und Sterbeprozess zusammenträgt. Alles dient der Einübung des Loslassens und der Akzeptanz des Endlichseins. Thomas Wild hat einen großen Zitateschatz zugänglich gemacht, der – so will es scheinen – die Perlen vieler Bücher zusammenträgt. Es sind Sätze, die nachgehen. Etwa wenn der todkranke Peter Liechti schreibt: »Kann und soll man überhaupt um sein Leben kämpfen, wenn der Körper zu kapitulieren beginnt? (...) Ich möchte nicht hadern mit dem, was mir vorbestimmt ist; es gibt Schlimmeres im Leben, als zu sterben.« Oder wenn der israelische Dichter David Grossmann vom »Schmerzbrand der Erinnerung« schreibt, der in jeder Sekunde nach dem Verlust des Sohnes drohe. Sich irgendwie im Leben zu halten, erscheint als große Herausforderung. Es hilft, Worte zu finden und die Liebe zum Verlorenen zu verwandeln: von der »Liebe in Anwesenheit« zu einer »Liebe in Abwesenheit«. Und so kann die Autorin Marion Kunz schreiben: »Die Liebesfähigkeit über den Tod hinaus wird dazu beitragen, sich wieder dem Leben zuwenden zu können.« Viel Lebensweisheit sickert durch die Zeilen hindurch. Etwa die Aufforderung, die Gegenwart auszuschöpfen und bewusst zu leben. Denn nicht auf Zeitenfülle, sondern auf erfüllte Zeit käme es am Ende an...
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