Christoph Wilhelm Hufeland, einer der bekanntesten deutschen Ärzte seiner Zeit, veröffentlichte im Jahr 1806 einen viel beachteten Beitrag in dem von ihm selbst herausgegebenen »Journal der practischen Arzneykunde und Wundarzneykunst«. Unter dem Titel »Die Verhältnisse des Arztes« handelte er in der Tradition der ärztlichen Pflichtenlehren verschiedene ethische Fragestellungen und Herausforderungen ab, mit denen sich der Arzt in seiner praktischen Arbeit auseinandersetzen musste. Einer Frage galt seine besondere Aufmerksamkeit, und die betreffende Passage wurde in der Folgezeit immer wieder von anderen Autoren zitiert: Jeder Arzt habe geschworen, so Hufeland, »nichts zu thun, wodurch das Leben eines Menschen verkürzt werden könne«. Gewiss könne der Gedanke aufkeimen, wenn ein Kranker von unheilbaren Übeln gepeinigt werde und sich selbst den Tod wünsche, ob es nicht erlaubt, ja eine Pflicht sei, »jenen Elenden etwas früher von seiner Bürde zu befreien«. Aber, fuhr Hufeland fort, »so viel scheinbares ein solches Räsonnement vor sich hat, so sehr es selbst durch die Stimme des Herzens unterstützt werden kann, so ist es doch falsch, und eine darauf gegründete Handlungsweise würde im höchsten Grade unrecht und strafbar seyn. Sie hebt geradezu das Wesen des Arztes auf«. Der Arzt dürfe »nichts anders thun, als Leben erhalten; ob es ein Glück oder Unglück sey, ob es Werth habe oder nicht, dies geht ihn nichts an, und maßt er sich einmal an, diese Rücksicht in sein Geschäft mit aufzunehmen, so sind die Folgen unabsehbar, und der Arzt wird der gefährlichste Mensch im Staate; denn ist einmal die Linie überschritten, glaubt sich der Arzt einmal berechtigt, über die Nothwendigkeit eines Lebens zu entscheiden, so braucht es nur stufenweise Progressionen, um den Unwerth, und folglich die Unnöthigkeit eines Menschenlebens auch auf andere Fälle anzuwenden«...
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